WILDE ORKS
Die Blutork-Trilogie

Die Blutork-Bücher von Bernd Frenz sind klassische Fantasy. Hauptfigur ist der Ork-Krieger Urok. Frenz nimmt die Perspektive des allwissenden Erzählers ein, dadurch kann er die kulturellen Triebkräfte von Blutorks, Schattenelfen, Lichtbringern und Menschen zeigen. Klassische Fantasy birgt Gefahren in sich: Die Leser haben an Humanoide wie Orks und Elfen bestimmte Erwartungen. Der Autor sollte aber auch nicht in den Klischees verharren. Markus Heitz zeigt in Die Zwerge, wie man tradierte Figuren behutsam neu interpretiert. Ebenso bringt Frenz bei den Orks neue Aspekte in das Genre ein – es gibt bei ihm kein wirkliches Gut und Böse und keine Kopie von Tolkien. Die Blutorks sind kräftig, kriegerisch und nicht allzu clever. Sie haben aber anthropologische Gründe für ihr Denken: Sie verehren das Blut der Erde, die Lava, und erhalten von diesem Blut ihre Kraft. In Lava schmieden sie ihre zerstörerischen Waffen aus Blutstahl.
Die Schattenelfen erhalten ihre Macht hingegen vom Atem des Himmels, dem Wind. Die Magie ist in ihrer ursprünglichen Bedeutung die Beherrschung der Naturkräfte. In unserer Welt überschnitt sich die Figur des Schmieds, der Metall verwandelt, mit der des Schamanen oder Ritualpriesters – bei den Mongolen, den Ureinwohnern Sibiriens und in Afrika.

Blut
Menschen, Blutorks, Schattenelfen oder Schlangenmenschen haben jeweils eine kulturspezifische Art zu denken und zu handeln. Ihre jeweils unterschiedliche Ethik ist aber in sich logisch. Dazu entwirft Frenz auch neue Kreaturen: Die Lichtbringer sind sehr mächtige Wesen, die fliegen können und die Kraft des Lichtes mit zerstörerischer Wucht einsetzen – sie erinnern an Engel. Die Beschreibungen der Natur wirken plastisch, die Details einer Stammeskultur füllen die Geschichte mit Leben. Frenz gibt dabei Einblicke in Flora und Fauna, die Religionen, Kulturen und Völker seiner Welt.
Den Alltäglichkeiten widmet er sich intensiv: So kommen wilde Lindwürmer zu einer Fischerhütte im Sumpf, um sich Parasiten aus den Schuppen entfernen zu lassen. Diese Sümpfe, die schwarze Marsch, wirken besonders real: Tolkiens Auenland erinnert an das ländliche England – und Bernd Frenz aus Norddeutschland beschreibt das Tiefland glaubwürdig und kenntnisreich: mit Knüppeldämmen, Aalfischern und speziellen Booten, um durch Moorlachen zu staken. Die fantastische Erweiterung einer vertrauten Landschaft wirkt meist überzeugender als eine freie Erfindung.
Frenz' Orks sind in Raubscharen umherschweifende Krieger und der Erde verpflichtete Priester, die sich in Dörfern und Clans organisieren und sich gegenüber einem gemeinsamen Feind definieren. Sie ähneln den Germanen und Kelten des Altertums, aber auch den Ureinwohnern Amerikas: Solidarität gilt zuerst gegenüber der Schar, dann gegenüber dem Clan, dann gegenüber den Orks, nicht aber gegenüber anderen Humanoiden. Allerdings sind die Orkstämme untereinander zerstritten und überfallen sich auch gegenseitig.
Urok fällt aus der Rolle, als er den gefangenen Menschen Ragmar kennen lernt und begreift, dass Menschen weder dumm noch feige oder ehrlos sind. Doch Ragmar stirbt auf dem Scheiterhaufen der Blutorks, dem Blut der Erde geweiht. Urok aber, der Ragmars Leiden verkürzt, indem er ihm den Schädel spaltet, wird geächtet.

Gesetz

Die harten Gesetze der Orkstämme sind in sich logisch, denn die Orks leben als einziges Volk in Freiheit, und sie wissen um die Bedrohung ihrer Welt. Alle anderen Völker hat ein menschlicher Despot unterworfen. Die Elfen, außerordentlich geschickte Meuchelmörder sind Sklaven des Tyrannen. Die Kinder der Elfen werden den Eltern entrissen und zu Mordwerkzeugen erzogen. Wer aus den Zwängen der jeweiligen Gesellschaften ausbricht, ob Ork oder Elf, ist vogelfrei. Frenz verblüfft mit immer neuen Wendungen und zeigt, was Krieg aus Menschen (hier: Humanoiden) macht. Diese Fantasy hat viel mit der Wirklichkeit zu tun.

Zukunft

Der zweite Teil der Blutorks, der Sklave, handelt von der Schlacht zwischen den Menschen und ihren Verbündeten. Urok gerät nach der Niederlage der Orks als Gladiator in die Arena. Der zum Sklaven gewordene Krieger wird zum Befreier, der die Orks eint, um die Heere des Tyrannen zu besiegen. Auch die reichlich vorhandenen Kampfszenen sind mehr als Hack and Slay. Fast schafft es Urok, Stammesführer zu werden.
Frenz erzählt spannend und detailverliebt. Er überschlägt sich geradezu vor Ideen. Die Blutorks sind eine fesselnde Lektüre mit komplexem Plot. Am besten nimmt man sich Zeit und liest alle drei Bände in einem Rutsch – es lohnt sich.

Utz Anhalt in: Nautilus, Magazin für Abenteuer und Phantastik, Nr. 75